Stellen Sie sich vor, der Motor Ihres Autos macht beim Fahren höchst beunruhigende Geräusche. Und das, kurz bevor Sie damit zum Gnaoua Weltmusik-Festival in Essaouira, Marokko aufbrechen wollen. Eine Strecke von über 3.000 Kilometern.
»Gut, dass der Bruder meiner Freundin sich mit Autos auskennt«, sagt Ihr Cousin.
»Ach, kein Problem«, sagt der Hobby-Schrauber. »Ich mach mal die Zündkerzen und den Vergaser sauber, dann läuft das schon.« Sie einigen sich mit ihm auf einen Kasten Bier als Entlohnung und fahren gen Marokko.
»Tja«, sagt der Mann in der spanischen Werkstatt 1.600 Kilometer weiter, »ich fürchte, Ihr Zylinderkopf ist hinüber. Aber Sie haben Glück: Meiner Schwester gehört das hübsche kleine Hotel dort drüben. Nehmen Sie sich da ein Zimmer, und in ein, zwei Wochen ist Ihr Motor wieder wie neu.«
Wir vermuten, Sie säßen fluchend in Ihrem Hotelzimmer und wünschten sich, Sie wären mit Ihrem Wagen gleich zu einer Fachwerkstatt gefahren.
Wer hat in der Familie, im Freundeskreis schon jemanden mit Zeit, Lust und vor allem der nötigen Kompetenz, Ihr Manuskript nicht nur zu lesen, sondern Sie auch auf Schwachstellen, Ungereimtheiten, Längen und Fehler aufmerksam machen zu können?
»Schade, dass der Hund am Ende stirbt – aber sonst finde ich das Buch ganz, ganz toll! Super!«
Vertrauen Sie auf dieses Urteil Ihrer Lieblingsnichte und schicken zehn Kopien Ihrer 600 Seiten – samt Lob der Nichte – hoffnungsvoll an zehn Verlagslektorate? Wir fürchten, die Chance ist recht groß, dass Sie ein paar Monate später verständnislos vor zehn Briefen sitzen, denen Sie zwar entnehmen können, dass keiner der Verlage in Erwägung zieht, Ihr Buch zu drucken, in denen aber mit keinem Wort erwähnt wird, warum das so ist.
Worauf wir hinauswollen: Auch hier wäre eine rechtzeitige Konsultation von Fachleuten angeraten gewesen. Und Fachleute für die Beurteilung, Bearbeitung und Verbesserung von Buchmanuskripten sind nun mal Lektor:innen.
Sollten Sie nicht zufällig ein Genie sein und auf Anhieb das perfekte Manuskript geschaffen haben, können Sie davon ausgehen, dass auch Ihr Werk Schwächen beinhaltet. Ganz gleich, wie oft Sie es gelesen und wieder und wieder geändert und ausgebessert haben (gut!) – Sie werden kaum verhindern können, dass eine gewisse Betriebsblindheit Ihnen den Blick verstellt. Aber vielleicht sind Sie selbstkritisch genug, und Zweifel bleiben:
• Ist diese oder jene Szene spannend genug – oder langweilig? Oder bloß zu lang?
• Gibt es überflüssige (oder zu wenige) Dialogszenen?
• Ist der Anfang meiner Geschichte gelungen? Ihr Ende einleuchtend?
• Habe ich Wörter falsch verwendet, gibt es unglückliche oder nicht zutreffende Formulierungen? Peinliche Klischees?
• Kann jeder Leser meinem roten Faden folgen?
• Hält mein dramaturgischer Bogen die Leser:innen bei der Stange? Ist das Buch nicht doch zu lang?
• Habe ich Zeichensetzungs- oder Rechtschreibfehler übersehen, falsche Absatzformatierungen, doppelte Leerzeichen?
• Gibt es aufgeblähte Passagen, überflüssige Adjektive, Fehler in der Logik, vermeidbare Wiederholungen?
• Verhalten meine Figuren sich stimmig und glaubwürdig?
• Gibt es Stellen im Buch, wo die Leserin »aussteigt«, wo der Leser beginnt, lustlos weiterzublättern?
• Was habe ich sonst noch übersehen oder falsch beurteilt?
Auch wir bei lektorat-und-tat sind weder Genies noch perfekt. Aber Sie können gleich schon mal den Kasten Bier besorgen, den wir darauf wetten, dass Sie höchst erstaunt sein werden, wie viele unserer Antworten auf all diese (und noch weitere denkbare) Fragen Ihnen sanft die Augen öffnen werden. Mehr oder weniger sanft, heißt das – wenn wir eine Szene langweilig finden, dann sagen wir das auch; finden wir etwas kitschig, schon x-mal dagewesen, albern oder geschmacklos, dann sagen wir genau das. Allerdings begründen wir das auch. Und präsentieren Ihnen Verbesserungsvorschläge. Immer unter der Prämisse, es ist und bleibt Ihr Buch, und wir haben nicht die geringsten Ambitionen, es um- oder neu zu schreiben.
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